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Volker Müller
WS 2009/2010
Griechisch-römische Mythologie
Überblick
0. Literaturverzeichnis zur griechisch-römischen Mythologie
1. Antike Quellen zur Mythologie
2. Göttersagen
a) Theogonie (Titanomachie – Gigantomachie – Typhoeuskampf – Göttinnengruppen –
Ungeheuer – andere wichtige vorolympische Gottheiten)
b) ausgewählte Mythen olympischer Götter
3. Heldensagen (quasi-chronologisch)
a) kretische Sagen (Minos – Minotaurus – Dädalus und Ikarus)
b) thebanische Sagen (1. Generation: Kadmus; 2. Generation: Semele/Ino; 3. Generation:
Pentheus/Dionysos/Aktaion; 4. Generation: Laios; 5. Generation: Ödipus; 6. Generation: 7
gegen Theben; 7. Generation: Epigonen)
c) Heraklessage
d) Argonautensage
e) trojanischer Sagenkreis
f) Odyssee
g) Orestie
h) lokale Heldensagen (Athen, Korinth, Argos, Ätolien, Sparta, Böotien, Phrygien, Thrakien,
Elis, Aigina)
i) Aeneis
j) römische „Sagen“ der Republik
0. Literaturverzeichnis zur griechisch-römischen Mythologie
Mythologische Lexika
Roscher, W.H. (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der Griechischen und Römischen Mythologie,
11 Bde., Leipzig 1884-1936. [maßgebliches Standardwerk]
Harrauer, Christine/Herbert Hunger: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie,
Purkersdorf 92006. [didaktisch sehr schön aufgearbeitet, inklusive der Rezeption]
Grant, Michael/John Hazel: Lexikon der antiken Mythen und Gestalten, München 131997.
[knappes, aus dem Englischen übersetztes praktisches Lexikon zum Nachschlagen]
Abenstein, Reiner: Griechische Mythologie, Paderborn u.a. 2005.
Rezeption der antiken Mythologie
Harrauer, Christine/Herbert Hunger: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie,
Purkersdorf 92006.
Moog-Grünewald, Maria (Hrsg.): DNP, Supplemente, Band 5, Mythenrezeption,
Stuttgart/Weimar 2008.
Lücke, H.-K. und S.: Antike Mythologie. Ein Handbuch. Der Mythos und seine
Überlieferung in Literatur und bildender Kunst, Reinbek bei Hamburg 1999.
Deutschsprachige Klassiker der griechisch-röm. Mythologie
Kerényi, Karl: Die Mythologie der Griechen. Band I: Die Götter- und
Menschheitsgeschichten. Band II. Die Heroengeschichten, München 81985.
Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Altertums, Insel-Verlag: 2001.
[zahlreiche Neuauflagen]
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1. Antike Quellen zur Mythologie (in Auswahl)
� mündliche Überlieferung des epischen Kyklos:
o Kyprien: Vorgeschichte der Ilias von der Hochzeit des Peleus und der Thetis –
Parisurteil - unglückliche Landung in Teuthranien und die Kämpfe in der Troas
o (Ilias: Zorn des Achill gegen Agamemnon und gegen Hektor, der Patroklos
getötet hat und dafür von Achill getötet und von Priamos ausgelöst wird)
o Aithiopis: Siege des Achill über Penthesilea (Amazonen) und Memnon
(Aithiopen) und Achills Ende
o Ilias parva: Ereignisse nach Achills Tod und Bau des Trojanischen Pferdes
o Iliupersis: Fall Troias - Nyktomachie
o Nostoi: Heimkehr der griechischen Streitkräfte, die mit der Rückkehr des
Agamemnon und Menelaos schließt
o (Odyssee: Ende von Odysseus’ Reise und Rache an den Freiern seiner Frau
Penelope)
o Telegonie: Die Reise des Odysseus nach Thesprotia und die Rückkehr nach
Ithaka, der Tod durch die Hand des illegitimen Sohnes Telegonos
� Homer: Ilias und Odyssee (7. Jh. v. Chr.)
� Hesiod: Theogonie (um 700 v. Chr.)
� Griechische Tragiker: Aischylos (Sieben gegen Theben, Hiketiden, Orestie [3 Teile],
Prometheus Desmotes), Sophokles (theban. Trilogie [Antigone, König Ödipus, Ödipus
auf Kolonos], Aias, Trachinierinnen, Elektra, Philoktetes), Euripides (Orestes, Medea,
Iphigenie in Aulis, Iphigenie bei den Taurern, Ion, Hippolytos, Bakchen etc.) (5. Jh. v.
Chr.)
� Apollonios von Rhodos: Argonautika (3. Jh. v. Chr.)
� Apollodor: Bibliothek (zwischen 1. Jh. v. Chr. - 2. Jh. n. Chr.) - Mythograph
� Ovid: Metamorphoses (kurz nach der Zeitenwende)
� Valerius Flaccus: Argonautica (1. Jh. n. Chr.)
� Hyginus: Fabulae (2. Jh. n. Chr.) – Mythograph
2. Göttersagen
a) Theogonie (bei Hesiod, Übers. Schönberger, 1999; cf. auch Apollod. 1, 1-44)
Entstehung des Kosmos und der Titanen (Hes. theog. 116-138; Apollod. 1, 1-2)
Zuerst nun war das Chaos, danach die breitbrüstige Gaia, niemals wankender Sitz aller
Unsterblichen, die den Gipfel des beschneiten Olymps und den finsteren Tartaros bewohnen in der
Tiefe der breitstraßigen Erde; weiter entstand Eros, der schönste der unsterblichen Götter, der
Glieder lösende, der allen Göttern und Menschen den Sinn in der Brust überwältigt und ihr
besonnenes Denken.
Aus dem Chaos gingen Erebos und die dunkle Nacht hervor, und der Nacht wieder entstammten
Aither und Hemere, die sie gebar, befruchtet von Erebos’ Liebe.
Gaia brachte zuerst, ihr gleich, den sternreichen Uranos hervor, damit er sie ganz bedecke und den
seligen Göttern ein niemals wankender Sitz sei. Weiter gebar sie hohe Berge, liebliche Göttersitze für
Nymphen, die zerklüftete Höhen bewohnen. Auch das unwirtliche Meer, das anschwillt und stürmt,
erzeugte sie, doch ohne verlangende Liebe. Dann aber gebar sie, von Uranos umarmt, den tief
wirbelnden Okeanos, auch Koios und Kreios und Hyperion und Iapetos, dazu Theia und Rheia und
Themis und Mnemosyne, Phoibe, die goldbekränzte, und die liebliche Tethys. Nach diesen wurde als
jüngster der Krummes sinnende Kronos geboren, das schrecklichste ihrer Kinder. Der hasste den
strotzenden Vater.
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Entmannung des Uranos durch Kronos (Hes. theog. 154-183; Apollod. 1, 3)
Viele waren der Ehe von Erde und Himmel entsprossen, keine aber so Schrecken erregend wie diese
[sc. die Hekatoncheiren], dem eigenen Vater von Anfang verhasst. Und immer wenn einer geboren,
den verbarg er sogleich im Schoß der Erde, und nicht mehr ließ er ans Licht ihn zurück und freute
sich noch seiner Untat, Uranos. Sie aber stöhnte im Innern, die riesige Gaia, jammernd. Und listig
ersann sie kunstvoll-schreckliche Rache.
Rasch nämlich ließ sie in sich das hellgraue Eisen entstehen, formte daraus eine große Sichel und
lehrte die Söhne [sc. die Titanen]. Mutbefeuernd entstieg dem gequälten Herzen die Rede: „Ihr,
meine Söhne und die des entsetzlichen Vaters, gehorcht mir! Büßen soll uns der euch gemeinsame
Vater den argen Frevel! [...]“ Als sie die Rede vernommen, ergriff sie alle Entsetzen. Keiner sagte ein
Wort. Nur Kronos, der große, verschlagne, fasste ein Herz sich und sprach zu seiner erhabenen
Mutter: „Mutter, ich nehme die Tat auf mich und will sie auch wirklich, wie versprochen,
vollbringen. [...]“ Eingehüllt ins Dunkel der Nacht kam Uranos, voller Liebesverlangen deckte er
Gaias Leib mit dem seinen ganz. Doch da reckte der Sohn die linke Hand aus der Höhle, packte mit
seiner Rechten die ungeheuere Sichel, starrend von spitzen Zähnen, und mähte, ohne zu zögern,
seinem eigenen Vater die Scham ab und warf sie nach hinten durch die Luft.
Geburt der Aphrodite (Hes. theog. 188-202; nach Apollod. 1, 13 ist sie Tochter des Zeus
und der Dione, einer bei Hesiod nicht genannten Titanin)
Doch des Uranos Scham, getrennt vom Leib durch das Eisen, abwärts geworfen vom Land in die laut
aufbrandende Meerflut, trieb übers Wasser lange dahin, bis schließlich ein weißer Ring von Schaum
sich hob um das göttliche Fleisch: Da entwuchs ihm alsbald die Jungfrau. Zunächst zur heiligen
Kythera wandte sie sich und kam dann zum meerumflossenen Kypros. Hier, wo der Flut entstiegen
die Ehrfurcht gebietende, schöne Himmlische, bettete Gras ihren leichten Tritt. Aphrodite,
schaumentsprossene Göttin, bekränzt mit den Blüten Kytheras, heißt sie bei Göttern und Menschen,
sie, die aus Aphros, dem Schaume, wuchs. Kythereia jedoch, weil der Insel Kythera sie nahte, ferne
Kyprogenea, der Brandung bei Kypros entstiegen, Göttin der Zeugung sodann, dem Glied der
Zeugung entstanden. Reiz und Liebesbegehren, Eros und Himeros, folgten, als sie neugeboren zur
Schar der Götter emporstieg.
Aphrodites Beinamen sind...
� Genetyllis (Schutzgöttin der Zeugung und Geburt, cf. Ar. Nu. 52; Ar. Th. 130)
� Anadyomene (die „Auftauchende“, Plin. nat. 35, 91)
� Pelagia (die „vom Meere“, Artem[idorus Daldianus] 2, 37)
� Pandemos (die „bei allen Ständen und Gemeinden des Volkes“, u.a. Plat. symp. 181a)
� Urania (die „himmlische Liebe“, u.a. Plat. symp. 181c)
� Apostrophia (die „sich Abwendende“, Paus. 9, 16, 3)
� Dione/Diona („Göttin des hellen Himmels“, Cic. nat. deor. 3, 59; Hyg. fab. prooem. 3;
Dionaeus bei Vergil, Horaz und Statius)
� Kallipygos (die „mit dem schönen Gesäß“, Ath[enaeus] 12, 554c)
� Cypria/Cypris (bei Tibull, Martianus Capella und Ausonius)
� Cytherea/Cythereis/Cythere (bei Ovid, Horaz, Ausonius und Martianus Capella)
� Enoplios (“bewaffnet”), Morpho (die „die Gestalt Wandelnde”), Ambologera (die „das
Alter Hinausschiebende“), Epitragidia (die „auf dem Bock Sitzende“),
Melaina/Skotia/Androphonos/Anosia/Epitymbidia/Tymborychos/Persephaessa
(„Schwarze, Dunkle, Mordende, Unheilige, die auf den Gräbern, Begrabende,
Unterweltskönigin“ → finstere und gefährliche Möglichkeiten der Liebe) etc.
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Aphrodites Liebschaften und Geschichten:
� Anchises (Homeri Hymnus in Venerem): Über drei Göttinen hatte Aphrodite keine
Macht (Athene, Artemis, Hestia). Alle anderen Götter und Göttinnen besiegte sie; sie
zwang Zeus, sterbliche Frauen zu lieben und Hera zu vergessen. Darum musste sich
Aphrodite nach Zeus’ Willen in einen Sterblichen verlieben, den Hirten Anchises, dem
sie sich in menschlicher Gestalt auf dem Idagebirge näherte → Aeneas.
� Adonis (Apollod. 3, 182-185; Ov. met. 10, 503-739; Verg. ecl. 10, 18):
Myrrha/Smyrna, die Tochter des Königs Cinyras (Zypern) verliebte sich unsterblich in
ihren Vater, weil Aphrodite ihr wegen ihrer Anmaßung, schönere Haare als die Göttin
selbst zu haben, zürnte. Sie schlief als fremdes Mädchen verkleidet mit ihrem Vater,
der sie nach Entdeckung des Inzests mit dem Schwert verfolgte, worauf sie von den
Göttern erflehte, weder bei den Lebenden noch bei den Toten zu sein, und in den
Baum mit dem Harz Myrrhe verwandelt wurde. Da sie von ihrem Vater schwanger
war, barst die Rinde des Baumes und Adonis kam zur Welt. Aphrodite gab das Kind
wegen seiner Schönheit gleich nach seiner Geburt in eine Lade und übergab sie
Persephone zur Aufbewahrung, die ihn aber nicht mehr zurückgeben wollte,
woraufhin Zeus als Richter angerufen wurde. Adonis durfte 1/3 des Jahres allein, die
anderen beiden Drittel aber jeweils bei den Göttinnen verbringen. Ein von Artemis
gegen den Jüngling geschickter Eber verwundete ihn bei der Jagd, so dass aus seinem
Blut rote Anemonen entsprossen und Aphrodite ihn beweinte.
� Pygmalion (Ov. met. 10, 243-297): König Pygmalion von Zypern hatte sich eine
schöne Frauengestalt aus Elfenbein geschnitzt und sich in diese verliebt. In seiner
Verzweiflung richtete er ein Gebet an Aphrodite, die, sich erbarmend, die Statue
lebendig werden ließ. Sie gebar ihm Paphos, dessen Sohn Cinyras (cf. Adonis-
Geschichte) die Stadt Paphos mit dem Heiligtum der Aphrodite gründete.
� Ares (Hom. Od. 8, 265-366; Ov. met. 4, 171-189; Hyg. fab. 148): Entgegen der
iliadischen Auffassung mit der Charis Aglaie als Hephaistos’ Gattin gilt meist
Aphrodite als dessen Frau. Helios beobachtete Ares und Aphrodite bei einem
Stelldichein und erzählte Hephaistos davon, der unsichtbare und unzerreißbare Fesseln
schmiedete, damit sein Ehegemach umgab und vorgeblich nach Lemnos ging.
Unentwirrbar festgehalten, wurden die beiden Ehebrüchigen von Hephaistos in
flagranti erwischt und von den Göttern ausgelacht; nur Poseidon bedang sich die
Loslösung des Ares aus, was daraufhin auch geschah.
Zeus’ Geburt, Rettung vor Kronos und dessen Fesselung (Hes. theog. 453-506; Apollod.
1, 4-7)
Rheia, von Kronos umfangen, gebar ihm strahlende Kinder: Hestia, Demeter, Hera, Hades, den
Erschüttrer der Erde, dann auch Zeus, den wissenden Vater der Götter und Menschen. Alle
verschlang sie der mächtige Kronos, keiner, so sann er, sollte unter den Göttern die Königswürde
besitzen. Wusste er doch von Gaia und Uranos mit seinen Sternen, dass ihm bestimmt sei, vom
eigenen Sohn bezwungen zu werden. Als sie [sc. Rheia] dann aber mit Zeus schwanger war, wandte
sie sich an die eigenen Eltern um Hilfe, wie die Geburt ihres Sohnes unbemerkt bleibe von Kronos. In
das fruchtbare Kreta nach Lyktos sollte sie gehen. Dort werde Gaia das Kind in die Arme nehmen.
Ihm [sc. Kronos] aber brachte sie einen Stein, in Windeln gewickelt. Dieser packte ihn gleich, den
gierigen Bauch sich zu füllen. Rasch dann gedieh der junge Gott an Mut und an Gliedern,
Herrscherglanz wuchs ihm zu im Lauf der kreisenden Jahre, während Kronos, getäuscht von Gaias
listiger Gabe und bezwungen zugleich von der Kunst und Kraft seines Sohnes [- durch ein
Brechmittel der Metis, cf. Apollod. 1, 6 -], so verschlagen er war, die eigene Brut wieder ausspie.
Und er löste die Brüder des Vaters [sc. die Kyklopen] von schmählichen Fesseln. Dankbar gedachten
diese der Wohltat, die sie empfangen, schenkten ihm Donner und flammenden Blitz und feurige
Strahlen, Kräfte, die einst die gewaltige Erde im Schoße geborgen. Ihnen verdankt er die Macht, die
er übt über Menschen und Götter.
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Titanomachie (Hes. theog. 617-725; Apollod. 1, 7; Hyg. fab. 150):
Doch der Kronide und alle die anderen unsterblichen Götter führten sie [sc. die Hekatoncheiren]
wieder ans Licht, dem Rat der Gaia gehorsam. Hatte doch alles genau die Göttin ihnen geweissagt:
dass sie Sieg und Ruhm nur mit jenen im Bunde gewännen. [...] Hasserfüllt befehdeten sich die
feindlichen Mächte, und schon war ein volles Jahrzehnt des Krieges vergangen, ohne dass der
erbitterte Streit eine Lösung gefunden. Als jedoch jenen dort unten [sc. den Hekatoncheiren] die
Götter Labung gewährten [sc. Nektar und Ambrosia], gleich wuchs allen der Mut in der Brust zu
mannhafter Größe. [...] Zum grässlichen Kampfe erwachten alle, Frauen und Männer, an jenem
einzigen Tage, sie, die titanischen Götter, und alle vom Stamme des Kronos und ihre Helfer, die Zeus
aus Erebos-Tiefen befreite hin zum Licht, die entsetzlichen, übergewaltigen Riesen. Hundert Arme
entsprangen den Schultern bei jedem von ihnen, fünfzig Köpfe waren den Hälsen entwachsen von
allen. [...] Furchtbar erscholl die Brandung des endlosen Meeres, laut erdröhnte die Erde, begleitet
vom Stöhnen des Himmels, der erbebte. Nicht mehr länger vermochte da Zeus seine Kampfwut zu
zügeln und seine ganze Kraft offenbarend, schritt er vom himmelhohen Olympos eilends herab, von
Blitzen umzuckt, und die feurigen Schläge flogen aus seiner gewaltigen Hand. [...] Überall kochte das
Land, das Wasser des Ozeans kochte und die Weite des Meers.[...] Die aber kämpften ganz vorne und
trieben die wütende Schlacht an, Kottos, Briareos, Gyges, der unersättliche Krieger. Ununterbrochen
schleuderten sie mit wuchtigen Armen Felsenblöcke, an Zahl dreihundert; die Nacht der Geschosse
senkte sich auf die Titanen. Sie drängten sie unter der Erde breiten Sitz und banden sie fest an
grausame Ketten. So besiegte die Kraft ihrer Arme den Trotz der Titanen...
Gigantomachie (Apollod. 1, 34-38, Übers. Dräger, 2005; Ov. met. 1, 151-162):
Ihre Namen sind: Alkyoneus, Porphyrion, Ephialtes, Eurytos, Klytios, Enkelados, Pallas,
Polybotes, Hippolytos, Gration, Agrios, Thoon.
Gaia aber, wegen des Untergangs der Titanen empört, gebiert die Giganten, an Körpergröße
unübertroffen, an Mächtigkeit unbezwinglich, die durch ihr Aussehen furchterregend erschienen,
bewachsen mit dicht herabwallendem Haar an Kopf und Kinn; und als Füße hatten sie
Drachenschuppen. Sie schleuderten aber gen Himmel Felsen und glühende Bäume. [...] Die Götter
aber hatten den Wahrspruch, dass durch die Götter keiner der Giganten zugrunde gehen könne, dass
diese aber, wenn ein Sterblicher mitkämpfe, ihr Ende finden würden. Nachdem aber Gaia diesen
Wahrspruch vernommen hatte, suchte sie ein Mittel, damit sie auch nicht durch einen Sterblichen
zugrunde zu gehen vermöchten. Zeus aber untersagte Eos und Selene und Helios zu scheinen, kam ihr
beim Schneiden des Mittels selbst zuvor und rief durch Athena Herakles als Mitkämpfer herbei:
Herakles + Hera töten Alkyoneus. Zeus + Herakles töten Porphyrion, Apollo + Herakles töten
Ephialtes, Dionysos den Eurytos, Hekate + Hephaistos den Klytios, Athene durch Draufwurf Siziliens
den Enkelados, Athene den Pallas, Poseidon durch Draufwurf der Insel Kos den Polybotes, Hermes
den Hippolytos, Artemis den Gration, die Moiren Agrios und Thoon. Auf die anderen schmetterte
Zeus Wetterstrahlen und vernichtete sie so. Allen aber, die zugrunde gingen, gab Herakles mit einem
Bogenschuss den Rest.
Typhoeuskampf (Hes. theog. 820-885; Apollod. 1, 39-44; Hyg. fab. 152):
Tartarus ex Terra procreavit Typhonem immani
magnitudine specieque portentosa, cui centum
capita draconum ex humeris enata erant. Hic
Iovem provocavit, si vellet secum de regno
certare. Iovis fulmine ardenti pectus eius
percussit; cui cum flagraret montem Aetnam qui
est in Sicilia super eum imposuit, qui ex eo adhuc
ardere dicitur.
Tartarus zeugte mit der Erde den Typhoeus, der von
unermesslicher Größe war und das Aussehen eines
Ungeheurs hatte; ihm waren hundert
Schlangenhäupter aus den Schultern gewachsen. Er
forderte Jupiter heraus, ob er mit ihm um die
Herrschaft kämpfen wolle. Dieser durchbohrte mit
einem lodernden Himmelsblitz dessen Brust. Als er
noch in Flammen stand, warf er den Ätna, der in
Sizilien ist, auf ihn drauf, der seitdem bis heute
brennen soll.
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Göttinnengruppen
Moiren (Parcae/Fatae/Elysiae sorores)
� entweder Töchter der Nyx (Hes. theog. 217) oder von Zeus ∞ Themis (Hes. theog.
904), die Schicksalsgöttinnen
� Klotho (die „Spinnerin“), Lachesis (die „Zuteilerin“) und Atropos (die
„Unabwendbare“)
� Selbst Zeus fügt sich ihrem Schicksal; er führt lediglich die Kerostasie durch (Hom.
Il. 8, 68-74; 22, 209-213; Verg. Aen. 12, 725-727).
� Sie nahmen beispielsweise an der Gigantomachie teil (cf. oben), blieben aber sonst
teilnahmslos (cf. Verg. Aen. 1, 22: sic volvere Parcas).
Graien (Phorkiden/Phorkyaden)
� Töchter des Meergreises Phorkys und der Keto, die schon mit weißen Haaren, also als
Greisinnen – allerdings hübsche – auf die Welt kamen; Schwestern der Gorgonen
� Pemphredo (die „Wespe“), Enyo (die „Kriegsgöttin“) (und Deino/Perso/Perseis)
� Ov. met. 4, 772-781, Übers. von Albrecht, 1994:
narrat Agenorides gelido sub Atlante iacentem
esse locum solidae tutum munimine molis;
cuius in introitu geminas habitasse sorores
Phorcidas unius partitas luminis usum;
id se sollerti furtim, dum traditur, astu
supposita cepisse manu perque abdita longe
deviaque et silvis horrentia saxa fragosis
Gorgoneas tetigisse domos passimque per agros
perque vias vidisse hominum simulacra ferarumque
in silicem ex ipsis visa conversa Medusa.
Drauf erzählte der Spross des Agenor, am frostigen
Atlas lieg’ ein Gebiet, umschanzt vom Bollwerk
felsiger Wände. Vorn im Geklüft dort hätten
gewohnt zwei Schwestern, des Phorkys Töchter, die
in den Gebrauch des einzigen Auges sich teilten.
Das nun hab’ er entwandt, indem er mit schlauem
Betruge während des Wechsels die Hand hinhielt.
Durch pfadlose Öde und durch Klippen sodann, die
starrten von brüchigen Wäldern, sei er zum Sitz der
Gorgonen gelangt, und auf Feldern und Wegen
ringsum hab’ er gesehn viel Bilder von Menschen
und Tieren, die aus belebten in Stein gewandelt der
Blick der Medusa.
Erinyen (Eumenides/semnaί theaί/Furiae/Dirae)
� laut Hesiod Töchter der Gaia und der auf die Erde gefallenen Bluttropfen des
entmannten Uranosgliedes (Hes. theog. 185), Zorn- und Rachegöttinnen, in der
Unterwelt heimisch
� Allecto (die „Unaufhörliche“), Megaira (der „neidische Zorn“) und Tisiphone (die
„Vergeltende/den Mord Rächende“) [Apollod. 1, 3]
� Alt, aber jungfräulich; ihre Hautfarbe ist